Ivy nickte. "Wir wurden bereits angegriffen, Amaya. Auch wenn wir nicht wissen, ob diese Leute zu denen da draußen gehören, sollten wir vielleicht wirklich warten. Aber ich wette mit dir, wenn auch nur einer von uns da raus geht und nicht aufpasst, kommt er nicht mehr hinein.", sagte sie mit etwas grimmiger Stimme. Der Gram war nicht gegen Amaya gerichtet, sondern gegen diese Menschen da draußen, die sie belagerten.
Ivy schüttelte den Kopf. Sie wollte zunächst wissen, was Amaya dazu sagte, immerhin war sie die Anführerin. "Es sind alles Menschen, ich rieche es. Dieser widerwertige Gestank ist nicht zu ignorieren. Wir sind zwar in der Unterzahl, aber unsere Fähigkeiten sind weitaus mächtiger als menschliche Waffen. Amaya beherrscht die Elemente und wir haben gute Magier, und wir anderen sind ausgezeichnete Kämpfer. Es dürfte zu schaffen sein, diesen Haufen da draußen zu besiegen.", sagte ich. Dann ging ich zum Fuß der Treppe. "AMAYA!", rief ich, damit sie endlich auch nach unten kam, um zu entscheiden, wie wir weiter vorgehen wollten.
Ivy schaute nun erstmals genauer hin. "Es würde mich dennoch interessieren, wer.", sagte sie. Doch noch mehr interessierte sie, wie sie so viele Leute loswerden konnten bis auf einen oder zwei, die sie ausquetschen konnten. Das ganze nahm Ausmaße an, mit denen Ivy so früh nicht gerechnet hatte. Woher wussten die Leute von der DC? Ivy hatte eigentlich seit der Gründung das Gelände um die Villa nicht groß verlassen, ebenso wenig Amaya. Andererseits - es hatte einige Leute gegeben, die irgendwann wieder verschwunden waren, zum Beispiel Jack. Vielleicht waren sie der Grund.
In der Zwischenzeit flüsterte Leviathan Steinhardt etwas zu und dieser flog durch irgendein offenes Fenster nach draußen und setzte sich in eine Nische im Dach. Mit seinen guten Augen konnte er die Umgebung besonders gut im Blick behalten und würde Alarm schlagen, sobald sich etwas verdächtig veränderte.
"Das ist ein anderer, Amaya. Ich hab den anderen Kerl.. naja. Entsorgt.", sagte Ivy. Nachdem sie dem Gespräch von ihrer Anführerin und Lily gelauscht hatte, warf sie etwas ein: "Wir könnten zunächst versuchen, ihn anders zum Reden zu bringen. Vielleicht ein Trank, der dafür sorgt, dass er denkt, er habe Schmerzen, bis er freiwillig redet. Wenn alles nichts hilft, könnten wir ihm dieses Veriumkraut geben." Vielleicht kann auch Leviathan mit seiner Magie imaginäre Schmerzen heraufbeschwören, das könnte ihm sogar Spaß machen, sodass er uns gerne hilft..., fügte sie in Gedanken hinzu, doch ihr war nicht wohl bei der Vorstellung. "Ich werde den Fremden beobachten, während ihr überlegt, wie wir am besten vorgehen. Vielleicht ergibt sich ja eine Möglichkeit, ihn zu schnappen." Und damit lief Ivy die Treppe nach unten und schaute vorsichtig durch das kleine Glasfenster der soliden Eingangstür. Leviathan stand noch immer dort. "Garrosh weiß, wer es ist, war aber weg, ehe ich fragen konnte, wer denn nun genau. Weißt du es?", fragte er ungeduldig. Es missfiel ihm offensichtlich, die Werwölfin zu fragen, doch sie erzählte ihm ruhig was sie oben mit Amaya, Garrosh und Lily besprochen hatte.
Ivy legte Amaya beruhigend die Hände auf die Schultern. "Es war ein gutes Stück weg von hier, eine halbe Stunde zu Fuß. Und es war nur ein Angreifer, kein besonders guter noch dazu. Vermutlich schickt man uns zuerst nur Schwächlinge, weil man uns unterschätzt. Ich denke also, wir haben genug Zeit.", sagte sie.
Leviathan hörte Garrosh und gesellte sich zu ihm. "Achso? Weißt du, wer es ist?"
Ivy drückte die Türklinke herunter und blickte etwas zerstreut in Amayas Gesicht. "Wir sollten uns beeilen, Dalaran und ich wurden gerade angegriffen, und es war nur Glück, dass wir überlebt haben. Das heißt also, dass man uns schon auf den Fersen ist und vermutlich auch bald unsere Villa findet.", berichtete sie. Vermutlich klebte noch immer Blut an der jungen Werwölfin, doch zumindest hatte der Schnitt auf ihrer Wange aufgehört zu bluten.
In fast jeder anderen Situation hätte Ivy irgendeinen blöden Kommentar abgegeben, doch diesmal ignorierte sie Leviathan. Nachdem sie in der Küche und im Wohnzimmer nachgesehen hatte, stieg sie die Treppe hinauf zu den Schlafzimmern und klopfte dort weniger sanft als geplant gegen Amaya's Tür.
Ivy drückte das etwas quietschende Tor zum Villengelände auf. "Falls er schon angefangen hat. So lange waren wir gar nicht unterwegs, glaube ich.", stellte sie fest und schloss das Tor wieder, nachdem auch Dalaran eingetreten war. Die wenigen Schritte zur Eingangstür rannte Ivy fast, was dafür sorgte, dass sie halb zur Tür hineinstolperte. "Amaya?!", rief sie laut.
Leviathan kam grinsend auf den Flur. "Na, wurden die armen Wölfchen erschreckt? Ihr schaut ja, als hätte euch Mantikor überrascht!", lachte er und verschwand in der Küche. Hunger machte sich bei ihm breit, wie üblich. Steinhardt saß wieder auf seiner Schulter und schaute unbeteiligt umher.
Ivy konnte nicht anders als dankbar zu lächeln. "Ich bin froh, dass du so denkst. Wir brauchen jeden Mann und jede Frau.", sagte sie. Dass ihr Frauen lieber waren, da sie noch immer diverse Probleme mit Männern hatte, behielt sie aber für sich. Im Weitergehen ertappte Ivy sich, wie sie unbewusst versuchte, Dalarans Gedanken zu lesen. Was erhoffte sie sich davon? Dass er es doch nicht ernst meinte? Beschämt nahm sich die Werwölfin vor, als heimliche Wiedergutmachung ihres Misstrauens Leviathan um Hilfe zu bitten, was Dalarans Eltern betraf...
Ivy zuckte mit den Schultern. Das war schon möglich, auch wenn sie eher gedacht hätte, dass sich ihr potenzieller Mörder einfach überschätzt hatte. "Ich konnte dein Vertrauen übrigens nicht zu Ende testen. Bisher konnte ich nur feststellen, wie du darauf reagierst, wenn du blind bist. Und ob du meinen Befehlen gehorchst. Es ist wichtig, sich auf alle Sinne zu konzentrieren, besonders, wenn eines wegfällt. Und es ist auch wichtig, dass du auf mich hörst, besonders, wenn es ernst ist. Selbst wenn es um mein Leben oder das eines anderen geht, befolge meine Befehle, in Ordnung? Unsere Mission muss erfolgreich beendet werden, aber das wird Leben kosten, vielleicht auch deins.", sagte sie unvermittelt und sah im Weitergehen Dalaran fest an. Sie wollte, dass er ihr das versprach oder für immer ging.
"Das ist doch nur ein kleiner Kratzer! Der Kerl war sogar so dumm, sein Schwert zu nehmen, und nicht diesen Giftdolch.", erwiederte sie und zeigte ihm den Dolch, den sie dem Fremden abgenommen hatte. Seine Klinge glänzte leicht grünlich. Es war Glück, dass der Mann keine giftgetränkten Pfeile - oder auch nur normale Pfeile - dabeigehabt hatte. Doch was Ivy am meisten beschäftigte, war, dass sie ihn nicht gehört hatte.
Ivy nickte, rollte den Toten ins Gebüsch und lief eilig neben Dalaran Richtung Villa. Diesmal hatte sie sich glücklicherweise den Weg gemerkt. Das Blut lief ihr über die Wange und langsam begann die Wunde auch zu schmerzen. Doch die Werwölfin hatte schon schlimmeres überstanden, also wischte sie sich nur gelegentlich das Blut weg - oder verschmierte es eher - und ertrug das widerlige Pochen des Schnitts.
Ivy hockte sich neben den Leichnam. Seine Kehle erinnerte sie daran, was sie getan hatte und sofort wischte sie sich das Blut weg - nur ihre eigene Wunde blutete weiter. "Er wollte uns angreifen, beinahe hätte er uns getötet.", sagte sie nur und untersuchte ihn. Er hatte viele Waffen, die sie ihm abnahm, aber nichts, was ihr einen Hinweis auf seine Identität gab. "Komm, lass uns gehen! Schnell!", beschloss die Werwölfin. Sie hatte keine Angst, doch wenn bald mehr Männer kämen und die beiden überwältigten, würden die anderen nicht gewarnt werden können. Aber genau das wollte Ivy jetzt tun.
Ivy knurrte kurz und sah sich misstrauisch um. Anstatt einer Antwort zerrte sie ihm etwas unsaft die Augenbinde vom Kopf und steckte sie weniger sorgsam als vorher ein. Ihr war nicht bewusst, dass die Szene, die sich Dalaran nun offenbarte, wohl äußerst verstörend sein musste: Ein Mann mit zerfetzter Kehle am Boden und neben ihm sie, eine junge Kriegerin, mit Blut im Gesicht. Sowohl ihr eigenes aus dem Schnitt auf der Wange, als auch das des Mannes, dem sie die Kehle zerfetzt hatte, das aber vorwiegend um ihren Mund zu finden war. Ivy hätte sich vor sich selbst geekelt, hätte sie sich sehen können...
Ivy verstummte und war mit zwei Sätzen im Gebüsch, wollte sich schon mit einem gespielten Angriff auf Dalaran stürzen, als sie das Metall des Schwertes in ihrem Augenwinkel glänzen sah. Nur knapp entkam sie der Klinge, die ihr nur einen hässlichen, blutigen Schnitt auf der Wange verpasst hatte. Noch im rettenden Fall wurde die junge Frau zu einem großen, schwarzen Wolf, rollte sich ab und warf sich mit einem bedrohlichen Knurren auf den fremden Angreifer. Mit einem gezielten Biss zerfetzte sie ihm die Kehle. Das Blut vernebelte ihr ein wenig die Sinne, sie war immerhin ein Raubtier, dennoch erkannte sie, dass keine Gefahr mehr drohte. Als sie ihre menschliche, blutverschmierte Gestalt wieder angenommen hatte, sagte sie ernst: "Die Übung ist vorbei. Steh auf."
Ivy lachte schallend, als Dalaran gegen den Baum lief. "Natürlich darfst du! Aber dann wäre die Übung ja zwecklos, nicht wahr?", sagte sie und griff nach einem kleinen Stein. Diesen warf sie nur wenige Meter von Dalaran entfernt in einen Busch, damit ihr blindes Versuchskaninchen dachte, sie wäre dort.
Ivy unterdrückte ein amüsiertes Kichern. Dies war eine Übung, die mehr forderte als nur im wahrsten Sinne des Wortes blindes Vertrauen. "Fang mich.", rief sie und sprang vom Baum, rollte sich ab und blieb für einen Moment still. Sie hörte ein Rascheln, doch vorerst ignorierte sie es. Dass Garrosh angegriffen worden war, wusste sie immerhin nicht. Doch es war sehr gut möglich, dass noch weitere Kopfgeldjäger in der Nähe waren...
Ivy grinste, doch da sie Dalaran den Rücken zugekehrt hatte, konnte dieser es nicht sehen. Dann zog sie ein sorgsam zusammengefaltetes Tuch aus ihrer Hosentasche, das einmal ihrer Mutter gehört hat. "Vertrauen.", sagte sie und verband ihm die Augen. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass er ja nichts mehr sah, befahl sie ihm, die Binde nicht abzunehmen und lief davon, kletterte lautlos auf einem Baum und beobachtete seine Reaktion.